Overthinking: Endlich raus aus dem Gedankenkarussell
- Katharina Hiller
- 26. Juni
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 27. Aug.
Du kennst das sicher: Die Gedanken wollen einfach nicht aufhören zu kreisen. Du analysierst Situationen, Gespräche, Entscheidungen – und findest trotzdem keine Ruhe. Overthinking oder Grübelzwang wirkt wie ein inneres Hamsterrad. Aber was steckt eigentlich dahinter? Welche Auswirkungen hat Overthinking auf Dich? Und was kannst Du konkret tun, um endlich abzuschalten und wieder Kontrolle zurückzugewinnen? In diesem Beitrag gehen wir diesen Fragen auf den Punkt, wissenschaftlich und praxisnah.

Daran erkennt man Overthinking
Gedankenrasen – Deine Gedanken springen von A nach B, ohne Pause. Du hast an eine unangenehme Erfahrung gedacht und auf einmal bist Du gedanklich bei einem ganz anderen Erlebnis gelandet, das mit dem ursprünglichen Gedanken überhaupt nichts mehr zu tun hat.
Unendliches Analysieren – Du denkst immer weiter nach, auch wenn längst eine Entscheidung gefällt ist.
Entscheidungsblockaden – Du bist unsicher und zweifelst, obwohl Du genug Infos hast.
Emotionale Erschöpfung – Grübeln kostet Energie und belastet Deine Stimmung.
Perfektionismus und Katastrophendenken – Alles muss perfekt sein oder Du malst Schlimmes aus.
Wie entstehen Overthinking und Grübelzwang im Gehirn?
Im Laufe unseres Lebens wiederholen wir bestimmte Tätigkeiten oder Gedankenabläufe so häufig, dass dadurch der Modus des Autopiloten / der Autopilotin entsteht, sodass man diese Tätigkeiten automatisch und unbewusst ausführt. Der Autopilot*innen-Modus entsteht durch Gewohnheit und kann für viele Dinge hilfreich sein, weil man sich dadurch auf Dauer viel mentale Energie sparen kann. Wenn wir jedes Mal darüber nachdenken müssten, wie man einen Lichtschalter betätigt oder wie genau man sich nochmal die Schuhe bindet, wäre das Leben ziemlich anstrengend. Das Problem ist: Wenn man während einer Routinetätigkeit nebenbei die meiste Zeit gedanklich ganz woanders ist, fällt der eigentliche Vorteil des Autopiloten – nämlich mentale Energie zu sparen – weg. Der Geist ist dann mit aufwändigen, oft unproduktiven Gedanken beschäftigt, die unter Umständen sogar mehr Energie kosten als die automatisierte Tätigkeit selbst.
Manchmal reichen wenige belastende Gedanken aus, um eine ganze Lawine an unerfreulichen Erinnerungen hervorzurufen. Das liegt daran, dass das Gehirn Erfahrungen im Netzwerk speichert. Der Kontext beeinflusst das Verhalten und wirkt sich auf das Gedächtnis aus. Vor einigen Jahren haben Psycholog*innen ein merkwürdiges Phänomen festgestellt: Und zwar wurde Tiefseetaucher*innen am Strand eine Liste von Wörtern vorgelegt, die sie sich merken sollten. Kaum waren sie unter Wasser, hatten sie die Wörter vergessen – zurück am Strand haben sie die Wörter wieder gewusst. Dasselbe war auch umgekehrt so: Unter Wasser gelernte Wörter konnten die Tiefseetaucher*innen am Strand schlechter abrufen, weil der Kontext - in dem Fall die Umgebung - ein anderer war. (Quelle: Williams & Penman, 2015)
Orte, Songs, Düfte, belastende Gedanken etc. aktiveren also Gedanken aus ähnlichen Kontexten. Wir merken uns also sämtliche Sinnesempfindungen und Emotionen zu einer Erfahrung und manchmal reicht ein einzelner Reiz, der sich aus dieser Erfahrung wiederholt, und das gesamte Netzwerk an Erinnerungen wird wieder aktiviert. Deshalb denken viele Menschen beim Geruch von Sonnencreme zum Beispiel oft an Urlaub. Und so verhält es sich eben auch mit Emotionen – wenn man sich bereits gestresst oder ohnmächtig fühlt, ist es einfacher für das Gehirn, sich auch an ähnliche Erfahrungen zu erinnern und diese Erfahrungs-Netzwerke zu aktivieren.
Overthinking: Ein kurzer Raum zwischen Reiz und Reaktion
Wenn wir mehr oder weniger unbewusst durch‘s Leben gehen, viel im Modus des Autopiloten unterwegs und dann auch noch gestresst sind, dann ist der Raum zwischen Reiz und Reaktion oft sehr klein. In diesem Fall überspringt das Gehirn sozusagen die rationale Bewertung einer Situation und der präfrontale Kortex, der für logisches Denken zuständig ist, wird gewissermaßen „gehemmt“. Genau das macht es dann so schwer, aus dem Gedankenkarussell auszusteigen.
Wie wirkt sich Overthinking auf Lernerfahrungen aus?
Kurz gesagt: Overthinking verlangsamt Lernprozesse, weil mentale Ressourcen blockiert oder verschwendet werden. Wer schlecht abschalten kann, kann sich auch weniger gut entspannen. Dadurch sinkt die Qualität von Erholungspausen und somit auch die Qualität der Leistungsphasen. Overthinking steht oft auch im Zusammenhang mit Perfektionismus und einem hohen Erwartungsdruck gegenüber sich selbst. Dadurch steigt das Risiko, irgendwann in einem Burn On oder Burn Out zu landen.
Erste Schritte gegen den Grübelzwang
Achtsamkeitstraining: Um endgültig aus dem Overthinking auszusteigen, ist es zunächst einmal hilfreich, den Raum zwischen Reiz und Reaktion wahrzunehmen – sich also bewusst zu werden darüber, wenn man auf einmal von einem belastenden Thema beim nächsten gelandet ist. Dabei unterstützt das Achtsamkeitstraining, da man dabei ein Gespür dafür bekommt, welche Gedanken einem durch den Kopf schießen. Beim Achtsamkeitstraining lernt man, belastende Gedanken als Ereignisse zu betrachten und vorbeiziehen zu lassen. Dadurch vergrößert sich der Raum zwischen Reiz und der Reaktion im Laufe der Zeit. Man gewinnt also Spielraum für rationale Reaktionen und tut sich auf Dauer leichter, früh aus dem Automatismus der negativen Gedankenspiralen auszusteigen.
Mit der 5-4-3-2-1-Technik ins Hier & Jetzt kommen: Die 5-4-3-2-1-Technik ist eine einfache Möglichkeit, um sich schnell aus den Gedanken zu befreien und sich auf etwas anderes zu konzentrieren.
· 5 visuelle Empfindungen
· 4 haptische Empfindungen
· 3 auditive Empfindungen
· 2 Geruchsempfindungen
· 1 Geschmacksempfindung
Journaling: Oft sind kreisende Gedanken unproduktiv. Manchmal hat es aber auch einen Sinn, dass Gedanken wiederkehren. Genau deshalb ist es sinnvoll, sich auch mal bewusst Zeitfenster einzuräumen, innerhalb derer man sich auseinandersetzt mit wiederkehrenden Gedanken. Insbesondere vor dem Schlafen kann es sehr hilfreich sein, die Gedanken einmal gebündelt aufzuschreiben, um das Gedankenkreisen im Nachgang zu reduzieren. Viele Studien belegen den positiven Effekt von Journaling auf das mentale Wohlbefinden.
Digital Detox durch Zeitfenster für News: Sich den ganzen Tag von Schlagzeilen überrumpeln zu lassen, kann Overthinking immens triggern. Nachrichten sind durch ketzerische Headlines und Formulierungen psychologisch oft so aufgebaut, dass man schnell ins Doomscrolling kommt, bei dem man negative Nachrichten fast zwanghaft verfolgt. Dadurch wird das Gehirn in negativen Gedankenspiralen trainiert. Sinnvoller wäre es, den Konsum von Nachrichten auf ein kurzes Zeitfenster zu beschränken und Schritte zu ergreifen, um Nachrichten über so wenige Medien wie möglich zu erhalten und so die Freiräume von negativen News zu wahren.
Erholungsförderliche & aufmerksamkeitsbindende Tätigkeiten: z.B. soziale Tätigkeiten, Lesen, Sauna, Bewegung, stimulierende Erholungsorte
Fazit
Overthinking ist weit mehr als ein Gedankenspiel: Es aktiviert bestimmte Gehirnnetzwerke, belastet die Emotionen und hindert uns am effektiven Lernen. Mit Achtsamkeit, Journaling, ab und zu ein wenig Digital Detox und aufmerksamkeitsbindenden Tätigkeiten kannst Du Schritt für Schritt dem Grübelzwang entgegenwirken.
▷ Du benötigst mentale Unterstützung, um besser abzuschalten?
Klasse! Vielen Dank für die spannenden Insights.
Danke Kathi, vor Allem auch für die sehr praktischen Tipps :)